Religion (kath.)

Einige Gedanken zu einer oft gestellten Frage zum Religionsunterricht an Berufsschulen…              

  1. 1.       Religionsunterricht sollte sich nicht mit profanen lebensweltlichen Themen der Schüler*innen beschäftigen, weil die Schüler*innen kaum noch über religiöses Wissen verfügen und dieses zunächst einmal Vorrang hat.
  2. 2.       Religionsunterricht kann sich auch mit profanen lebensweltlichen Themen beschäftigen, wenn das den Blick auf die Religionen eröffnet.
  3. 3.       Religionsunterricht sollte sich auch mit profanen lebensweltlichen Themen beschäftigen, damit die Schüler*innen erkennen, dass die Religionen Antworten auf die Fragen ihres Lebens bieten.
  4. 4.       Religionsunterricht muss sich mit den profanen lebensweltlichen Themen auseinandersetzen, weil die Religionen bedeutende Beiträge liefern und die Schüler*innen so einen erweiterten Blick auf Ihre Lebenswelt bekommen.
  5. 5.       Religionsunterricht muss sich mit der Lebenswelt der Schüler*innen beschäftigen, weil sie selbst nur aus dem „Sitz im Leben“ der Schülerinnen durch jene selbst erhellt werden kann. 
  6. 6.       Religionsunterricht muss in erster Linie die lebensweltlichen Themen Jugendlicher aufgreifen, weil die klassischen Religionen sowieso keine Rolle mehr im Leben spielen.

Frei nach Jank/Meyer (Jank, Werner; Meyer, Hilbert: „Didaktische Modelle“, Cornelsen Scriptor, Frankfurt am Main, 31994, S.67)

Der Streit darum, mit welchen Inhalten sich Religionsunterricht beschäftigt, hat seit der Mitte des letzten Jahrhunderts zu vielen religionsdidaktischen Ansätzen geführt. Alle Ansätze können sich in den oben genannten Argumentationsformen wiederfinden, doch keiner konnte sich bis heute ohne Einwände behaupten. Dennoch herrschte zu jeder Zeit ein jeweils präferierter Ansatz vor. Nun scheint es ruhiger geworden zu sein auf dem Markt der Religionsdidaktiken. Ein Zeichen dafür, dass Didaktik egal und beliebig geworden ist? Oder weiß niemand mehr so recht, was eigentlich noch sinnvoll zu vertreten ist?

Noch komplizierter wird es, wenn in der didaktischen Debatte nicht mehr nur nach der Vermittlung von Inhalten, Methoden und Werthaltungen gefragt wird, sondern nach dem zielgerichteten Verfügen und Anwenden (so lt. gängigen Definitionen für „Kompetenzen“) dieser didaktischen Grundelemente.

Aus religiöser und religionspädagogischer Sicht formulierte H.Halbfas eine These, welche auch unter der aktuellen Popularität konstruktivistischer Didaktik bedenkenswert ist:

Religion ist keine Lehre von Gott, keine Welterklärung aus göttlicher Perspektive, sondern der Versuch sich als Mensch zu verstehen und sich vor dem Absoluten selbst zu bestimmen.“

(Halbfas, Hubertus: Glaubensverlust – Warum sich das Christentum neu erfinden muss. Patmos Verlag, Ostfildern 42012, S.72)

So verstanden, ist Religionsdidaktik gefordert, nicht nur „Gott und die Welt“ (inhaltsbezogene Kompetenz, objektiv verstanden) in den Blick zu nehmen, sondern auch, das was Schüler*innen als ihren Gott und ihre Welt ansehen (subjektiv inhaltsbezogene Kompetenz). Darüber hinaus muss die Religionsdidaktik die Instrumente, Methoden und Arbeitstechniken der Religionen (prozessbezogene Kompetenzen) bereitstellen, damit die Schüler*innen ihren „Gott“ und ihre Welt aus anderen Blickwinkeln erkennen und verstehen können und sich davor selbst bestimmen. Das Ziel muss also eine kritische, ethische Grundhaltung werden, welche den Schüler*innen ermöglicht, sich im Leben zu orientieren. Diese Grundhaltung muss den Schüler*innen freigestellt werden.

Die Grundhaltung eines (katholischen) Religionslehrer, der sich zu seiner Kirche bekennt, ist jedoch klar eingefordert. Aktuelle Veröffentlichungen formulieren es so, dass die Botschaft des Reiches Gottes als Grundannahme für ein gelingendes Leben aller Menschen Selbstverständnis und Ziel des eigenen unterrichtlichen Handelns sein soll.

        Moment mal…:     Da ist doch ein Widerspruch zum Absatz davor!?      Richtig. Diese     Aporie müssen wir aushalten: Wir „suchen“ das Reich Gottes und stellen es     dennoch frei. Wir dürfen niemanden dazu überreden oder manipulieren, weil     Manipulation und Überredung keine Wege zu Gott sind. Wir dürfen aber     hoffen, dass unsere Angebote und unser Handeln überzeugen.      

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Welcher Didaktik und damit auch welchen Methoden und Inhalten Sie auch vertrauen wollen, hängt aber wesentlich von Ihnen, Ihrem religiösen und religionspädagogischem Selbstbild, Ihren Schüler*innen und Ihrem beruflichen Umfeld ab. Manchmal wechseln die Didaktiken von einer Unterrichtsstunde zur anderen. Das grundlegende didaktische Konzept bildet dabei die „Berufliche Handlungsorientierung“ gemeinsam mit den Rahmenrichtlinien für die Berufsschule und dem Kerncurriculum für das Gymnasium. Dies sind derzeitige Standards und von diesen aus ist das eigene Selbstverständnis und die Professionalität als Religionspädagoge und -didaktiker zu entwickeln. Doch wir müssen mit den Standards in Methodik und Didaktik spielen, experimentieren und darüber reden, um zu Expertise und Routine zu gelangen. Das Seminar soll somit einen Rahmen bilden, in dem Sie sich mit ihren Erfahrungen und den Erfordernissen konstruktiv auseinandersetzen.

Teile der im Seminarunterricht behandelten Aspekte:

Vorbereitung, Gestaltung und Reflexion einzelner Unterrichtsphasen

Vorbereitung, Gestaltung und Reflexion von Unterrichtsstunden

Vorbereitung, Gestaltung und Reflexion von Unterrichtsreihen (sog. „Sequenzierten Lernsituationen“)

Gestaltung von Handlungssituationen als Anlass, Legitimation, Sinnstiftung und Analysegrundlage von Unterrichtsreihen

Inhaltsbezogene religionspädagogische Kompetenzen (Mensch, Welt, Gott, Jesus Christus, Kirche)

Prozessbezogene religionspädagogische Kompetenzen (Wahrnehmen, Deuten, Urteilen, Verständigen, Entscheiden, Gestalten) aber auch prozessbezogene allgemein-didaktische Kompetenzen

Selbstverständnis und -vergewisserung in der Rolle des Religionslehrers im Spannungsfeld von Staat, Kirche, Schüler*innen und Kollegium

Methoden des Religionsunterrichts

Probleme und Herausforderungen im Schulalltag

Lernortkooperationen und außerschulische Erfahrungsräume

Noten, Klassenarbeiten und Leistungsbewertungen im Religionsunterricht

Religiöse Begleitungen des Schullebens

Und anderes mehr…

Dabei gilt es im Seminar ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Reflexion Ihrer Anfragen aus dem schulischen Erfahrungsraum und den curricularen Anforderungen in der Lehramtsausbildung.

 Fachleitung:

Daniel Hüsing, Berufsschulzentrum am Westerberg, Osnabrück d.huesing (at) studienseminar-os.de